Die Kopfgelenkasymmetrie bewirkt eine grundsätzliche Störung des Atlasschlingenmechanismus: Wegen der vom Druck des linken hinteren Digastricus-Muskelbauches abhängigen Stellung des Atlaswirbels entsteht eine bewegungs- und rotationsabhängige Durchblutungminderung bei den Vertebralarterien: Wenn man in die Tiefschlafphase gerät, entspannt sich die kurze Nackenmuskulatur, nicht aber in selbem Maße der linke hintere Digastricusmuskel. Deswegen gleitet der Atlas nach Maßgabe des Digastricus-Druckes linksseitig nach vorne und oben, was eine Dehnung der linken Vertebralarterie zur Folge hat. Damit entstehen im Kleinhirn sub-ischämische Zustände; die Schlafqualität verringert sich. Der unbewusst erfolgende, vornehmlich linkslaterale Bruxismus bewirkt eine Erhöhung des Muskeltonus der kurzen Nackenmuskeln, der den Atlas wieder nach hinten zieht, was die Perfusionsstörung vorübergehend aufhebt. Der Schlaf geht weiter. Bruxismus hat demnach den physiologischen Sinn, den Schlaf auf dem Wege der Tonusanhebung der kurzen Nackenmuskulatur und damit erzeugter Erhöhung der Durchblutung zu sichern. Dabei werden Abrasionen der Zähne, Sprünge im Schmelz und Längsfrakturen ganzer Zähne durch Knirschen und Pressen und im weiteren Verlauf Zahnlockerungen (Parodontien) und Zahnverlust in Kauf genommen. Zunächst ensteht eine Masseter- und Schläfenmuskelhypertrophie; im späteren Verlauf gehen diese in Hypotrophie über: Die muskuläre Überaktivität führt zu Abbauprodukten (Milchsäure, Phosphorsäure, Kreatin, u.a.) und einer hohen Sauerstoffschuld im geschädigten Muskel, der letztlich in einer Muskelnekrose (Myogelose) mündet. So entsteht das Bild von linksseitig eingefallenen Schläfen (Musc. temporalis) und Wangen (Musc. masseter).
Die Kopfgelenktherapie enthebt die kurze Nackenmuskulatur von der Notwendigkeit der Tonusanhebung, um den Schlaf zu sichern. Der Organismus lernt allmählich, diesen Reflex zu unterlassen. Es wurde in manchen Fällen berichtet, dass der Bruxismus nach Therapie ausgeblieben war, was an der nicht mehr schmerzhaften Kiefermuskulatur nach dem Aufwachen bemerkt wurde.
Eine Patientin (* 1957) wurde am 6.6.2008 behandelt. Es wurde starker Bruxismus mit Kopf- und Rückenschmerzen festgestellt. Anamnestisch wurde folgendes fest gestellt :
Seit Jahren Schmerzen im li. Hals-Schulterbereich, Kiefergelenkkompression, Lateralverlagerung des Unterkiefers mit Knacken, Bruxismus. Schienenbeh., Krankengymn., man. Therapie, krankengymn. Übungen halfen nur bedingt. Schmerzen subocc. li., Schulter und Schulterblattspitze li.
Sie schilderte ihre Beschwerden folgendermaßen:
Ich habe seit Jahren Schmerzen auf der linken Seite, aber nur auf der linken Seite, und zwar hängt das anscheinend mit dem Kiefergelenk zusammen, weil wenn ich meinen Mund ganz weit aufmache, dann knackst es ziemlich stark. Der Zahnarzt meint, man muss unbedingt etwas machen, sonst bleibt mein Mund irgendwann offen stehen. Ich habe dann eine Schiene bekommen, weil ich anscheinend auch geknirscht habe in der Nacht. Die Schiene hat aber nur bedingt geholfen. Manchmal hatte ich das Gefühl, sie hilft; dann hatte ich wieder das Gefühl, sie hilft gar nicht. (...) Wenn ich immer dabei bleibe und immer etwas mache (unterschiedliche Therapien), dann geht's, aber ich spür's immer. Aber sobald ich nichts mehr mache, kommen die Schmerzen zurück. Die Ursache wird nicht behoben, sondern nur die Symptome. Es knackt, wenn ich meinen Mund ganz weit aufmache, es wird untertags schlimmer. Das hängt mit dem körperlichen Befinden zusammen (Erkältung, Ermüdung, Stress).
Die Ausschließlichkeit, mit der die Patientin auf der linken Seite die Symptome entwickelt hat, ist wahrscheinlich Kopfgelenkasymmetrie bedingt: Sie schildert genau, wie in Zeiten schlechterer Befindlichkeit sich die Kopfgelenkasymmetrie verschlimmert und dass dann der Digastricus-Druck, der in der Regel unterschwellig immer vorhanden ist, sehr schmerzhaft wird. Der Druck breitet sich nach oben zum Kopf hin aus und nach unten zum Schulterblatt. Das Zähneknirschen ist demnach wahrscheinlich die Folge der langfristig verschlimmerten Kopfgelenkasymmetrie. Den unmittelbaren Therapieeffekt (nur Digastricus-Muskelumlagerung) kommentierte die Patientin folgendermaßen:
Angenehm, (bewegt den Kopf nach links und rechts), es ist weicher, (prüft weiter), ich spüre die Muskeln nicht mehr so stark, (prüft Beugung, Streckung), es ist angenehmer, (prüft Kopfbewegungen weiter), irgendwie so ein Unterschied zwischen rechts und links, alles leichter, (prüft Mundöffnung),es knackst noch genauso wie vorher, hab das schon lange nicht gemacht, weil ich mich nicht traue, (prüft Mundöffnung), insgesamt habe ich das Gefühl, dass es ein bisschen leichter ist, wie geschmiert.
Die Patientin bemerkt zunächst eine allgemeine Erleichterung. Abschließend (nach Muskelumstimmung) verlautbarte sie folgendes: Angenehm entspannend, befreiend, hab es sehr genossen. Bezogen auf die Massage des Kiefergelenks: Hat auch sehr gut getan, besonders in der nähe des Ohrs, das hätte ich aber noch eine Stunde haben können.