Kopfschmerz vom Spannungstyp (IHS-Klassifikation) entstammt direkt aus einer verschlimmerten Kopfgelenkasymmetrie: Die kurze Nackenmuskulatur wird linksseitig ständig nach vorne gedehnt, eine Dauerspannung, die sich auf die epicraniale Muskulatur (u.a. Musculus occipitofrontalis, Musculus temporoparietalis) und die Galea aponeurotica ausdehnt. Vermutlich kann das aber nur episodische Kopfschmerzen verursachen. Wenn die Aponeurose spannt, nicht mehr verschieblich ist und sehr berührungsempfindlich wird, gerät man in das chronische Stadium: Die epicraniale Muskulatur kann sich aufgrund dauernder hoher Milchsäureausschüttungen und großer Sauerstoffschuld nicht mehr ausreichend regenerieren, so dass die Kopfschmerzen durch dieses Stoffwechselgeschehen sekundär mit verursacht werden. So kommt es, dass die chronische Form lange Zeit andauern kann: Der Schmerz ist dumpf/drückend, man spricht von einem Schraubstockgefühl oder von einem Helm, der viel zu eng ist. Der Leidensdruck ist kontinuierlich vorhanden und stimmt phasenweise sehr depressiv.
Löst sich aufgrund der Therapie der spannungsvolle Zustand an den Kopfgelenken, erhält man in der Folge ein Nachlassen der Spannung bei der Aponeurose und der epicranialen Muskulatur. Eine ausreichende Regeneration der Kopfmuskulatur ist dann wieder möglich. Allerdings braucht diese im Falle des chronischen Spannungskopfschmerzes eine gewisse Zeit: Falls eine erneute Kopfschmerzphase auftritt, obwohl die Kopfgelenke symmetrisch stehen, kann es hilfreich sein, die epicraniale Muskulatur wiederholt vibratorisch umzustimmen. Damit wird Lymphfluss und Durchblutung angeregt, was die regenerativen Stoffwechselprozesse beschleunigt.
(1) Patient (*1968) ist chronischer Schmerzpatient seit ca. 30 Jahren. Er wurde am 19.2.10 behandelt. Anamnestisch wurde folgendes festgehalten:
Seit 13. Lj. täglich Kopfschmerzen, zieht oft vom Nacken links hoch, ringförmiger Druck, manchmal stechend, bis Stirn/Augen; Lichtempfindlichkeit; Erleichterung bei geschlossenen Augen; keine Übelkeit. Depression - 2006 stationäre Therapie; aktuell stabil / Kopfbewegungen schmerzhaft
Seine schriftliche Spontanäußerung nach erfolgter Behandlung war:
Ich bin sprachlos, kann es noch nicht glauben, was für eine Besserung eingetreten ist! (s.u.)
Beim dritten Termin am 16.4.10, nach zwei Monaten, äußerste er sich folgendermaßen:
Ich bin sehr überrascht über den Erfolg dieser Behandlung, merke eine deutliche Verbesserung. Ich bin leistungsfähiger geworden, merke, dass ich mich auf mich verlassen kann, dass ich nicht mehr so vom Schmerz diktiert werde. Ja, ich bin sehr, sehr positiv berührt, weil ich glaube, dass das mein Leben ziemlich grundsätzlich verändern kann. Ich habe Hoffnungen und das berechtigterweise und ich merke jeden Tag, dass eine Besserung da ist und dass es auch ein fortlaufender Prozess ist und sich doch immer wieder in kleinen Schritten mein Zustand verbessert. Ich bin sehr glücklich und beeindruckt über den Erfolg dieser Therapie.
Die ausgesprochen positive Beurteilung des Therapieerfolgs nach zwei Monaten gibt einem zu verstehen, dass der Patient sich zwar auf dem Wege der Besserung wähnt und es auch zu einer Linderung der Schmerzsituation gekommen ist, dass er aber noch einen weiten Weg der kleinen Schritte, des Auf-und-Abs vor sich hat. Dies darf nicht verwundern, denn die epicraniale Muskulatur ist wohl noch sehr starr und myogelotisch. Aber die Schmerzen werden allmählich verebben, wenn nur die Kopfgelenke in der symmetrischen Position verbleiben.
Über die drei Parameter hinweg findet eine mittlere Drehwinkelzunahme von 17% statt. Die Kopfbeweglichkeit geht bei der Drehung und der Seitneigung von einer einseitigen Einschränkung in die Symmetrie über. Die Kopfgelenke und ihre umgebende Muskulatur funktionieren qualitativ anders, sobald der Digastricus-Muskeldruck entfernt ist: Eingeschränkte horizontale Drehung nach rechts, eingeschränkte Seitneigung nach links bedeutet, dass der Atlas vor Therapie nach links gerichtet steht (Rechtseinschränkung der Drehung) und zur linken Seite hin relativ immobil und verkantet ist (Linkseinschränkung der Seitneigung). Nach Therapie ändern sich die Drehwinkel dergestalt, dass es zu einer Symmetrisierung und Erweiterung derselben kommt: Das bedeutet, dass der Atlas im Verhältnis zum Axis nach Therapie gerade nach vorne gerichtet steht (Symmetrisierung der Drehung) und die Kopfgelenke (C1/C2) besser zur Seitneigung beitragen können (Erweiterung der Seitneigung). Die tiefgreifende physiologische Veränderung - das plötzliche symmetrische Funktionieren der Kopfgelenke - findet in der schriftlichen Äußerung ihren angemessenen Ausdruck.
(2) Patient (*1961) wurde am 21.2.10 behandelt. Folgendes wurde notiert:
Kopfschmerz vom Spannungstyp, chronisch seit 6 Wochen (d.h. keine Viertelstunde Pause, auch nachts nicht), vorher episodisch, vor 4 Jahren Beginn (schlagartig), (...) Aponeurose hochempfindlich, LWS knackt oft, ISG-Schmerzen.
Er verlautbarte gleich nach der Therapie folgendes:
Als ich hinkam hatte ich starke Spannungskopfschmerzen, die haben extrem nachgelassen, auch dieses verspannte Gefühl bei der Kopfdrehung, das ist so gut wie weg. Ich find' das Wahnsinn. Und die Behandlung als solche war absolut harmlos. Ich bin echt platt.
Schriftliche Spontanäußerung:
Ich find' das 'irre'!! Es fehlt etwas, das einen 'festgehalten' hat.
Beim einem zweiten Termin nach vierzehn Tagen (6.3.10) erzählte er folgendes:
Ich hatte sehr lange Spannungskopfschmerzen, die haben fast gänzlich nachgelassen, lediglich ca. 15 bis 30 Minuten noch am Tag, am Nachmittag, gegen Ende der Arbeit. Aber das kann man irgendwie ignorieren, mit ein bisschen Ablenkung ist das schon gar nicht mehr spürbar. Die Beweglichkeit im Nackenbereich, Rückenbereich ist besser, man fühlt sich also ganz anders.
Beim einem Telefongespräch am 13.5.10 teilte er mit:
Die Kopfschmerzen sind weg.
Bei ihm zeigte sich, dass ein über Monate hinweg quälender Dauerkopfschmerz innerhalb von zwei Wochen fast gänzlich verfliegen kann und langfristig weg bleibt.
(3) Patientin (* 1976) mit langjährigen episodischen Spannungskopfschmerzen wurde am 10.12.2009 behandelt. Anamnestisch wurde folgendes notiert:
Seit ca. 15 Jahren Kopfschmerzen, zunächst 2-3x/Woche, seit 4-5 Wochen täglich Kopfschmerz, wechselnde Lokalisation, z.Zt. bis in Augen ziehend, aktuell starke Nackenschmerzen. Manchmal schon beim Aufwachen. Hauptbeschwerden rechts, Hals-Nackenschmerzen. Paracetamol, Aspirin, Ibuprofen, teilw. 2 Tbl/d, auch Tage ohne Analgetika. Als Kind Sturz vom Pferd --> Clavicula-Fraktur.
Diese Patientin ist zum zweiten Termin nicht gekommen, weil - wie auf Nachfrage bestätigt wurde - die Kopfschmerzen schlagartig und dauerhaft verschwunden waren.
Über die drei Parameter hinweg fand nach Therapie eine Drehwinkelzunahme von 25,5% statt. Die Kopfbeweglichkeit ging bei der Drehung und Seitneigung von einer starken einseitigen Einschränkung in die Symmetrie über. Beides – extreme Drehwinkelzunahme und absolute Symmetrisierung – ist für die qualitative Änderung der Funktionalität der Kopfgelenke beweisführend. Es entstehen auch deshalb hoch signifikante Drehwinkelzuwächse, weil die kurze Nackenmuskulatur durch die verschlimmerte Kopfgelenkasymmetrie im Laufe der Zeit relativ hypotrophiert war. Im Laufe der Zeit werden sich aufgrund der Festigung der kurzen Nackenmuskulatur die Drehwinkelwerte reduzieren und dabei symmetrisch bleiben. Die qualitative physiologische Änderung zum besseren findet in der schriftlichen Äußerung der Patientin ihren deutlichen Widerhall.
(4) Patientin (* 1970) wurde am 8.5.2010 behandelt. Anamnestisch wurde chronischer Kopfschmerz vom Spannungstyp und gelegentliche Migräne ohne Aura festgestellt. Den Behandlungverlauf schildert die Patientin folgendermaßen:
Nach Digastricus-Muskelumlagerung: Ich hab das Gefühl, hier fehlt irgendetwas (weist auf den linken oberen Halsbereich), beweglich ist es schon, ich hab das Gefühl, hier fehlt etwas auf der linken Seite. Ich kann das anders nicht erklären, doch, fühlt sich aber gut an, fühlt sich gut an...
Die Patientin mag das starke Nachlassen der Spannung in den Kopfgelenken gespürt haben und definiert es als Wegfall einer Halterung (Gefühl, hier fehlt irgendetwas). Sie empfindet die plötzliche Lockerheit als positiv. Zum Abschluss der Therapie verlautbarte sie folgendes :
Die Therapie fand ich sehr gut, fühlt sich alles ein bisschen leichter an, und ich merke auch, ich kann den Kopf besser bewegen, es geht auch leichter, es knirscht auch nicht mehr alles so, es knirschte alles vorher so ein bisschen mehr, und meine Kopfschmerzen sind auch nicht schlimmer geworden, die ich ja vorher auch hatte, ich hoffe mal, ich gehe jetzt mit einem guten Gefühl raus.
Eine Woche später (15.5.2010) verlautbarte die Patientin folgendes:
Mein ganzer Kopf ist viel durchgängiger geworden. Ich hatte sonst immer das Gefühl, dass der Kopf so fest sitzt, alles fest sitzt, auch bis in die Ohren und das ist überhaupt nicht mehr, also jeden Tag... man fühlt sich einfach besser. Es war immer alles so eingezwängt und man hört es pulsieren bis in den Ohren, also wie wenn etwas nicht richtig durchgängig wäre. Das ist jetzt nicht mehr da.
Nach einem Dreivierteljahr teilte sie folgendes über den Therapieerfolg mit:
Wesentlich besser, keine Kopfschmerzen mehr, keine Migräne mehr, ich bin zufrieden!
Der Genesungsverlauf beim Kopfschmerz vom Spannungstyp hängt von der Dauer und Intensität der Kopfschmerzen, aber auch vom Alter ab. Um dies zu veranschaulichen wird die oben beschriebene Kasuistik zusammengefasst:
Dies bedeutet, dass je schwerer der chronische Spannungskopfschmerz (1) und je vielfältiger die Begleitsymptomatik, desto langwieriger und wechselhafter der Genesungsverlauf. Liegen episodische oder erst kürzlich sich als chronisch erweisende (2) Spannungskopfschmerzen vor, verläuft die Genesung unproblematischer und spontaner. Auch wenn eine Mischsymptomatik aus verwringungsbedingter (myogelotische epicraniale Muskulatur) und durchblutungsbedingter (Migräne) Symptomatik vorliegt (4), sind die Aussichten auf einen Therapieerfolg eher gut. Außerdem ist die Genesung kürzer, je jünger der Patient ist (3).
Aus kopfgelenktherapeutischer Sicht ist es wichtig, dass der Patient lernt, bestimmte Liege- und Haltungstechniken zu beherrschen, die eine Milderung der Symptomatik erlauben. Nicht zuletzt ist es von Vorteil, wenn der Patient über die physiologischen Zusammenhänge bescheid weiß, weil damit der Weg zu größerer Autonomie gegenüber dem Krankheitsgeschehen eröffnet ist. Viele Patienten wurden durch die Kopfgelenktherapie von chronischen Spannungskopfschmerzen befreit, in manchen Fällen wurde auf diesem Wege die Arbeitsfähigkeit wieder hergestellt.